Michał Cyž

Seit Jahrhunderten leben die Sorben in der Lausitz, sprechen eine eigene Sprache und pflegen auch eine eigene Kultur. Ab dem 19. Jahrhundert fühlen sie sich jedoch durch die deutsche Politik zunehmend gehindert und unterdrückt. So beflügelte die Revolution von 1848/49 auch die sorbische Nationalbewegung in ihrem Bestreben um Anerkennung und Gleichberechtigung als nationale Minderheit in Deutschland.

Einer der Protagonisten dieser sorbischen Freiheitsbewegung war der Jurist und Publizist Michał Cyž (1825–1860, deutsch: Michael Ziesch). Dieser wuchs in einem bäuerlichen Haushalt auf und war so bereits seit seiner Jugend tief vom sorbischen Nationalgedanken ergriffen. 1848 kehrte Michał, nachdem er an der Universität Leipzig Jura und slawische Philologie studierte, in seine Heimat zurück. Wie viele seiner Zeitgenoss:innen erkannte er in der Revolution die Möglichkeit, wirtschaftliche und soziale Missstände in der Lausitz zu überwinden und gleichzeitig die sprachliche und kulturelle Gleichberechtigung der Sorben zu erkämpfen. So beriet und unterstützte Michał zahlreiche sorbische Bauernvereine bei der Formulierung von Protestschreiben und politischen Forderungen an die Obrigkeit.

Im Juni 1848 richteten Vertreter der sorbischen Intelligenz, darunter auch Michał, eine umfangreiche Petition an die sächsische Regierung, die keinen Zweifel daran ließ, auf welcher Seite die Verfasser standen: „In Frankfurt hat die hohe Versammlung, die zu beraten hat, wie künftig alles in Deutschland sein soll, bereits zugesagt, daß jede Nation in ihrer Sprache gerade dasselbe Recht haben soll, wie die Deutschen mit der ihrigen. Was dort zugesagt wurde, um das bitten wir hier“. Tatsächlich hatte das Paulskirchenparlament erst wenige Wochen zuvor über einen Grundrechtsparagraphen abgestimmt, der den „nicht deutsch redenden Volksstämmen Deutschlands“ die verfassungsmäßige Gleichberechtigung mit der deutschen Bevölkerung einräumte. Fast 5.000 Menschen haben diese Petition unterzeichnet, es war somit die bislang größte demokratische Willensbekundung in der sorbischen Geschichte.

Michałs älterer Bruder Pětr, ebenfalls engagierter Fürsprecher sorbischer Interessen, saß ab 1848 als einziger sorbischer Abgeordneter in der I. Kammer des Sächsischen Landtages in Dresden. Hierbei lernte dieser vermutlich den polnischen Dichter Teofil Lenartowicz kennen, welcher nach dem missglückten polnischen Aufstand von 1848, wie viele hundert andere Polen auch, seine Heimat verlassen musste.

Nach der Niederschlagung der Revolution in Deutschland 1849 sahen sich zahlreiche Aktivist:innen gezwungen, abzutauchen. Auch Teofil Lenartowicz, der keine gültigen Papiere besaß, musste sich vor der Polizei in Sicherheit bringen. Seine abenteuerliche Flucht wird er später literarisch verarbeiten: Getarnt als Leipziger Student machte er sich Anfang Juni 1849 auf den Weg in die Lausitz. Mehrere Tage hielt er sich im Elternhaus der Brüder Cyž vor den Behörden versteckt. Von hier aus ging er zurück in seine polnische Heimat, aus der ihn die preußische Regierung 1851 endgültig ins Exil trieb. Mit im Gepäck hatte Teofil Lenartowicz auch einige persönliche Andenken an die Brüder Cyž und den gemeinsamen Kampf von Polen und Sorben für die Rechte nationaler Minderheiten in Deutschland.