Der radikale Freiheitsapostel: Karl Gustav Mayer

Die zentrale Figur der revolutionären Episode in Sinsheim war Karl Gustav Mayer. Karl Gustav stammte gebürtig aus Heilbronn, wo sein Vater eine Apotheke betrieb. Die Familie gehörte demnach zum gehobenen Bürgertum der württembergischen Oberamtsstadt. Er folgte dem väterlichen Vorbild und wurde ebenfalls Apotheker. Ein eigenes Gewerbe eröffnete er 1840 im badischen Meßkirch. Dort beteiligte sich Karl Gustav als Gemeinderatsmitglied auch politisch. Vier Jahre später zog er mit seiner Familie nach Sinsheim und übernahm von Karl Philipp Greiff die einzige Apotheke in der Stadt.

Karl Gustavs politischer Ehrgeiz wuchs in der neuen Heimat beachtlich. Der Apotheker verstand es, wirkungsvoll seine radikaldemokratische Gesinnung in die Öffentlichkeit zu tragen und Anhänger zu gewinnen. Als die Revolution im Frühjahr 1848 offen ausbrach organisierte er am Ostermontag einen bewaffneten Zug nach Heidelberg zur Unterstützung Friedrich Heckers bei dessen Vorhaben, die badischen politischen Verhältnisse gewaltsam zu verändern. Die Aktion scheiterte, der Apotheker wurde des Hochverrats angeklagt und tauchte unter. Erst nachdem ein erneuter badischer Umsturzversuch im Mai 1849 schließlich gelungen war, kehrte Karl Gustav aus seinem Exil in Straßburg zurück.

Die revolutionäre provisorische Regierung in Karlsruhe setzte ihn als Zivilkommissär im Amtsbezirk Sinsheim ein. In einem Aufruf an die Mitbürger bringt Karl Gustav sein Ziel zum Ausdruck: „Allen Gegnern der angebornen und unveräußerlichen Menschenrechte werde ich strengstens entgegentreten“. Die Amtsausübung des Zivilkommissärs nahm jedoch alsbald autoritäre Züge an. So wurden Beamte, die seine politischer Linie nicht folgen wollten, wegen ihrer angeblich „volksfeindlichen Gesinnung“ von ihrem Dienst enthoben. Sein hartes Durchgreifen bewegte die provisorische Regierung nach wiederholten Protesten aus der Sinsheimer Bürgerschaft dazu, ihn als Kommissär abzuziehen und mit der Aufstellung eines deutsch-polnischen revolutionären Truppenverbandes zu beauftragen.

Nach der militärischen Niederlage der Revolutionsarmee entschied sich Karl Gustav zur Auswanderung in die USA. Er eröffnete in St. Louis eine Apotheke und blieb bis zu seinem baldigen Tod als Mitglied des dortigen Arbeitervereins weiterhin politisch aktiv.