Die Angestellte: Caroline Kleinfeldt

Caroline Kleinfeldt stand an ihrem Arbeitsplatz am Fenster und beobachtete, was draußen auf der Straße vor sich ging. Revolutionäre hatten eine Barrikade errichtet und versuchten, sie gegen die anrückenden Soldaten zu verteidigen. Die Barrikade befand sich direkt gegenüber der Königlichen Hauptbank. Das war die wichtigste Bank in ganz Preußen. Es wurde heftig gekämpft. Es hatte sogar schon einen Toten gegeben: Der Soldat Philipp Theissen, der vor der Bank postiert gewesen war, um sie zu bewachen, war durch einen Schuss getötet worden.

Carolines Arbeitsplatz war eine Wohnung mitten in Berlin. Sie gehörte wahrscheinlich einem Kaufmann. Historische Adressbücher zeigen, dass viele Kaufleute in dem Haus in der Oberwallstraße 12–13 wohnten, in dem Caroline arbeitete. Sie wohnte auch selbst dort. In den alten Adressbüchern wird sie aber nicht erwähnt, denn sie gehörte zum Hauspersonal. Caroline Kleinfeldt arbeitete als Dienstmädchen. Heute würden wir sie nicht mehr als „Mädchen“ bezeichnen: An dem Tag, als sie vom Fenster aus die Barrikade beobachtete, war sie 32 Jahre alt.

Wir wissen nicht, was Caroline über die Ereignisse in Berlin am 18. März 1848 dachte. Es ist gut möglich, dass auch sie auf politische und soziale Veränderungen hoffte. Dienstmädchen hatten zu dieser Zeit kein leichtes Leben. Sie schliefen meist in kleinen, dunklen und unbeheizten Zimmern. Feste Arbeitszeiten gab es für sie nicht. Caroline musste wahrscheinlich ständig arbeitsbereit sein. Ein Arbeitstag als Dienstmädchen konnte schon einmal 16 Stunden dauern – auch am Wochenende. Vielleicht hatte Caroline jeden zweiten Sonntagnachmittag frei. Das war bei vielen Dienstmädchen so. Der 18. März 1848 war aber ein Samstag. Caroline konnte also nur von ihrem Arbeitsplatz aus beobachten, was auf den Straßen Berlins passierte.

Trotzdem war Caroline vor der Gewalt auf der Straße nicht sicher. Die beiden ersten Barrikaden in Berlin wurden am 18. März 1848 nachmittags in unmittelbarer Nähe der Zeitungshalle errichtet, eine direkt davor. Während die erste Barrikade um kurz nach 15.00 Uhr von einer Garderegiment-Kompagnie eingenommen werden,  gab es um die zweite einen erbitterten Kampf. Vom Dach der Zeitungshalle regnete es Steine. Die Soldaten richteten ihr Kugelfeuer in die Höhe. In diesem Moment trat Caroline im dritten Stock ans Fenster, ob aus unvorsichtiger Neugierde oder weil sie selbst eingreifen wollte, ist nicht bekannt. Sie soll gerufen haben: „Seinem Schicksal kann man ja doch nicht entgehen“. Da traf sie eine Kugel tödlich. Kurz danach wurde der Wirt der Zeitungshalle ebenfalls niedergestreckt. Sofort begannen die Soldaten im Gebäude mit brutalen Festnahmen und Misshandlungen. Es wird berichtet, dass in anderen Häusern das Dienstpersonal Bedrängten in solchen Situationen half, wie in einem Haus am Spittelmarkt, wo die Köchin 10 Flüchtende in einem engen Wohnungsverschlag versteckte, vor dessen Tapetentür sie sich bei der Durchsuchung postierte.