Ehemaliges Augustinerkloster zu Erfurt

Obwohl 1849 der revolutionäre Versuch, den deutschen Ländern eine gemeinsame Verfassung zu geben und einen geeinten Nationalstaat zu gründen, scheiterte, waren die Forderungen der Revolution nicht mehr in die Vergangenheit zu verbannen. Die Kaiserkrone lehnte der amtierende preußische König ab, weil dieser „der Ludergeruch der Revolution“ anhaftete. Alternativ schlug er ein Zusammenrücken der deutschen Staaten in einem Fürstenbund vor, der von Preußen angeführt werden sollte.

Das Unionsparlament, welches die Antwort Preußens und anderer deutscher Staaten auf die Auflösung der Nationalversammlung war, tagte vom 20. März bis zum 29. April 1850 im Erfurter Augustinerkloster. Es war seinerzeit überaus umstritten. Vor allem das politische Klima in den von der Niederlage der Revolution gebeutelten deutschen Staaten hemmte den Wahlprozess. Demokrat:innen verurteilen das verabschiedete Wahlrecht als undemokratisch, welches vor allem Menschen aus unteren Schichten benachteiligte. Wahlberechtigt waren lediglich Männer. Sie durften polizeilich nicht auffällig geworden sein. Dies galt auch für diejenigen, die ein politisches Mandat erlangen wollten. Vor allem aber wurde nach dem Dreiklassenwahlrecht gewählt. Danach waren alle Klassen berechtigt, die gleiche Anzahl an Abgeordneten zu entsenden, obwohl es in den deutschen Staaten viel mehr Arbeiter:innen gab als Angehörige der beiden weiteren Klassen.

Das Scheitern des Unionsparlament ist jedoch in erster Linie auf eine Wiederherstellung des Deutschen Bundes zurückzuführen. Der Bund versammelte seit dem Wiener Kongress 1815 die deutschen Staaten mit Einschluss des Kaisertums Österreich. Die Habsburgermonarchie beanspruchte den traditionellen Vorrang im Deutschen Bund und wurde dabei häufig von Preußen herausgefordert. Beide agierten im Bund als die zwei deutschen Großmächte. Der von Preußen 1850 angedachten Union sollte der österreichische Kaiserstaat nicht angehören. Man spricht in diesem Zusammenhang von der Kleindeutschen Lösung für eine deutsche Nation. Österreich standen traditionell die süddeutschen Staaten sowie Sachsen und Hannover nahe, welche von Wien für eine Großdeutsche Lösung begeistert werden sollten. Diese sah eine deutsche Nation vor, welche zumindest die deutschsprachigen Teile des Vielvölkerstaates Österreich miteinbezog.

Im Unionsparlament waren – wohl auch unter dem Eindruck rasch wieder ausgetretener Staaten wie Sachsen – bald auch kritische Stimmen am Unionsprojekt zu hören. So setzte sich dort beispielsweise ein junger Abgeordneter Preußens, der spätere Reichskanzler Otto von Bismarck (1815-1898), für eine gleichberechtigte Stellung Preußens und Österreichs ein. Durch den Vertrag von Olmütz vom 29. November 1850 wurde der Deutsche Bund wiederhergestellt. Auch wenn dies den Konflikt zwischen Berlin und Wien nicht löste, bestand der Deutsche Bund noch 16 Jahre fort. Erst mit dem Preußisch-Österreichischen Krieg 1866 zerbrach der Bund entgültig und Preußen gründete den von Berlin dominierten Norddeutschen Bund, welcher 1871 letztlich in das Deutsche Kaiserreich umgewandelt wurde.

Im heutigen Augustinerkloster, in dem über die Restauration der vorrevolutionären Ordnung und über den Fortbestand von Forderungen der Revolution 1848/1849 verhandelt wurde, erinnert nur noch wenig an das Zusammenkommen des Unionsparlaments. Aktuell läuft ein Architekturwettbewerb, in dessen Rahmen der Innenraum der Augustinerkirche auch für die historisch-politische Bildungsarbeit offener gestaltet werden soll. Vor allem im Kirchenschiff soll die historische Bedeutung des Ortes für die deutsche Demokratiegeschichte auch mithilfe von Gesprächsformaten zur Debatte gestellt werden. Trotz der geplanten Umbauten kommen Menschen aber weiterhin im Augustinerkloster zusammen. Es ist ein beliebter Tagungs- und Veranstaltungsort mit zahlreichen Übernachtungsmöglichkeiten.