Grab von Karl Marx

Nach London verschlug es revolutionäre und konterrevolutionäre Kräfte während und nach der Revolution von 1848. Auf der Insel war man stolz auf alte freiheitliche Traditionen. Das Asylrecht war daher in der Revolutionszeit überaus großzügig. Der starke Zustrom durch die zunehmende Verfolgung revolutionärer Aktivist:innen auf dem europäischen Festland führte im Verlauf der Revolutionsjahre zu einer Beschneidung der Zufluchtsmöglichkeit. Die Exilant:innen gaben London ein vielseitiges Gesicht. Unter ihnen war auch Karl Marx (1818-1883) und seine Familie.

Zuvor hatte Marx von Juni 1848 bis Mai 1849 in Köln die Neue Rheinische Zeitung herausgegeben. Diese wurde rasch zu einer wichtigen demokratischen Organisation in der deutschen Presselandschaft. Anfangs war Marx optimistisch, dass die Februarrevolution in Paris der Startschuss für etwas ganz Großes in Europa sein würde. Ernüchtert stellte er jedoch schon bald fest, dass seine radikalen Forderungen in weiten Teilen der deutschen Gesellschaft auf Unverständnis stießen. Die Revolution von unten blieb aus. Er wandte sich enttäuscht von den Zielen der Revolutionär:innen ab, in welchen sich für ihn auch zu sehr bürgerliche Interessen widerspiegelten.

1883 verstarb er verarmt in London. Zu seiner Beerdigung auf dem Friedhof Highgate kamen nur elf Personen. Friedrich Engels (1820-1895) hielt die Trauerrede am schlichten Grab. 1954 stieß die Kommunistische Partei Großbritanniens die Umbettung von Marx an. Sein Grab sollte an einem auffälligeren Ort würdevoller gestaltet werden. Der Künstler und Kommunist Laurence Bradshaw übernahm die Gestaltung und wusste, dass Marx kein pompöses Denkmal gewollt hätte.

Heute lockt das Grab von Marx lebende und tote Genoss:innen in den Norden Londons. Die Toten, unter ihnen sozialistische Führer wie ein ehemaliger Vorsitzender der sozialistischen Partei im Irak oder der Historiker Eric J. Hobsbawm (1917-2012), wurden in Marx‘ Nähe bestattet. Die Lebenden wollen Marx ehren. Seine heutigen Kritiker:innen versuchen ebenfalls ihre Botschaft an Marx‘ letzter Ruhestätte zu hinterlassen – leider meist in Form von Vandalismus.