Militärreform

Macht hat der, der das Militär hinter sich hat. Dieser Grundsatz galt lange in Europa. In den deutschen Fürstentümern und Bundesstaaten unterstand das Militär 1848 mit Ausnahme von Hansestädten wie Hamburg oder Bremen den Landesherren. Sie hatten damit ein unkontrolliertes Gewaltmonopol. In anderen Ländern war das anders.  Nach der britischen Bill of Rights von 1689 war das Tragen von Waffen ein Bürgerrecht. Die US-amerikanische Bill of Rights von 1789 knüpfte daran an. „The right of the people to keep and bear arms” gilt in den USA bis heute, auch wenn das Recht hoch umstritten ist. Auch in Deutschland gab es ab 1813 erste Ansätze einer Volksbewaffnung. Sie etablierten sich im Zuge des Kampfes gegen Napoleon.

Um das Gewaltmonopol der Fürsten zu brechen, gehörte die „Volksbewaffnung“ zu den Forderungen der Revolutionär:innen von 1848. Bei den Barrikadenkämpfen in Berlin und Wien traten die Bevölkerungen noch vereint gegen königliche und kaiserliche Truppen auf.  Die Einheit zerbrach jedoch schnell. Aus den Reihen des Bürger:innentums wurden sogenannte „Bürgerwehren“ gebildet, die die innere Ordnung aufrechterhalten sollten. Teilweise ließen sie sich aber von der alten Obrigkeit vereinnahmen, indem sie Entschiedenheit gegen alle zeigten, die die Revolution mit Waffengewalt vorantreiben wollten. Sie fühlten sich als Garanten eines auf Ausgleich ausgerichteten Veränderungsprozesses. Arbeiter:innen und Handwerksgesellen, die auf den Barrikaden gekämpft hatten, waren in diesen Bürgerwehren nicht zugelassen. In Berlin und Paris traten die gegensätzlichen politischen Strategien im Juni 1848 offen zutage. Eine „Volksbewaffnung“ erfolgte im Zuge der Revolution in weiten Teilen des Deutschen Bundes nicht. Das machte es der Konterrevolution leicht, gegen die Revolution vorzugehen. Preußische Truppen schlugen 1849 die badischen Demokraten und stellten damit die alte Machtordnung wieder her. Im Berliner Stadtviertel Wilmersdorf sind immer noch mehrere Straßen nach den preußischen „Siegen“ in Baden benannt.

Neben der „Volksbewaffnung“ sollte das Militär von innen reformiert und demokratisiert werden. Soldaten sollten die Offiziere wählen dürfen. Die Forderung ist allerdings nie realisiert worden (außer bei der „Volksmarinedivision“, die nach der Novemberrevolution 1918 in Berlin von Marinesoldaten zum Schutz der jungen Republik gegründet wurde).

Heute wird die Bundeswehr vom Bundestag kontrolliert und erhält ihre Einsatzmandate vom Parlament. Die Soldat:innen werden auf die Verfassung vereidigt. Die Bundeswehr ist damit eine Parlamentsarmee. Seit der Aussetzung der Wehrpflicht gibt es in Deutschland – wie in vielen anderen Ländern der Welt – de facto eine Berufsarmee.