Recht auf Bildung

Die Revolutionär:innen aus den Jahren 1848/49 wussten, dass Teilhabe ohne Bildung kaum möglich ist. Dabei drifteten Bildungstand bzw. Alphabetisierung in ganz Europa weit auseinander. Während in Frankreich, Großbritannien und der Habsburgermonarchie weit mehr als die Hälfte lesen und schreiben konnten – in Preußen sogar über 80% – waren im Russischen Zarenreich weniger als 5% alphabetisiert. Umfassende Bildungsangebote sowie Lehrfreiheit waren daher 1848 revolutionäre Kernforderungen. Besonders an den Universitäten forderten Studenten und Professoren eine Befreiung der Bildungsinstitutionen von staatlicher Zensur und kirchlicher Kontrolle. Auch Forderungen nach weitreichenden Bildungsreformen wurden laut.

Sie wurden auch in den bildungspolitischen Debatten der Frankfurter Nationalversammlung intensiv diskutiert. Inspiriert waren sie von vorangegangenen bildungspolitischen Errungenschaften in europäischen Nachbarländern. In Erweiterung eines Artikels der belgischen Verfassung von 1831 wurde in der Paulskirche erstmalig in Europa mit knapper Mehrheit beschlossen: „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei“.

Das Schul- und Unterrichtswesen, das bisher unter dem Einfluss und der Aufsicht der Kirchen stand, wurde nach der Revolution von vielen Regierungen dauerhaft einer umfassenden staatlichen Aufsicht unterstellt. Volksschullehrer mussten sich einer staatlichen Prüfung unterziehen. Ihr Ansehen stieg, weil sie als Staatsdiener Rechte und regelmäßiges Einkommen hatten. Vor allem aber sollten die politischen Organe Zugriff auf die Lerninhalte erhalten.

Was allerdings 1848/49 noch nicht europaweit eingeführt wurde, war die Schulpflicht sowie kostenlose Bildung. Die Bildungsziele der Volksschulen konnten auch durch häuslichen Unterricht vermittelt werden. Dafür waren die Eltern verantwortlich.  

Pressefreiheit

Die Pressefreiheit gehört heute zu den Grundsäulen unserer Demokratie. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts gab es relative Pressefreiheit in einigen Ländern, darunter Großbritannien, Schweden, den USA und im revolutionären Frankreich. In den meisten Staaten des Deutschen Bundes herrschte am Vorabend der Revolution 1848/49 hingegen noch eine strenge politische Zensur von Presse- und Buchwesen. Das Verbot einer Druckschrift musste von den Zensoren meist nicht einmal begründet werden. Die Einführung der Pressefreiheit war deshalb eine zentrale Forderung weiter Teile der Demokratiebewegung von 1848.

Schon im Vorfeld der Revolution experimentierten Regierungen mit der Lockerung der Pressezensur. Besonders eindrücklich waren die zunächst überraschend liberalen Reformen, welche Papst Pius IX. ab 1846 im Kirchenstaat erließ. Sie machten ihn zunächst auch zu einer Symbolfigur der italienischen Einigungsbewegung. Nachdem die Zensur im Frühjahr 1848 auch in vielen Ländern Europas gefallen war, überfluteten zahlreiche Druckerzeugnisse die Städte.

Bretterwände wurden zu Wandzeitungen. Zeitungen wandelten sich von Mitteilungsorganen zu Meinungs- und Diskussionsforen. Das führte zu einem bislang unerreichten Grad der Politisierung der Menschen. Die Kunde von Vorgängen, Akteur:innen und politischen Ideen der Revolution konnte sich auf dem ganzen Kontinent ausbreiten. Die Revolution 1848/49 wurde durch die liberalisierte Presselandschaft als europäisches Ereignis erlebbar.

Auch in den von der Frankfurter Nationalversammlung beschlossenen Grundrechten hatte die Pressefreiheit einen hohen Stellenwert. Von den Landesfürsten wurde sie jedoch in der Folgezeit nach und nach wieder beschnitten. So sah beispielsweise die aufgezwungene preußische Verfassung im Dezember 1848 zwar formal Pressefreiheit vor, stellte aber zugleich „Vergehen, welche durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung begangen werden“, unter Strafe. In Sachsen wurden noch 1850 Frauen die Herausgabe von Zeitungen gesetzlich untersagt. Damit sollte Louise Otto-Peters an der Herausgabe der Gleichberechtigung propagierenden Frauen-Zeitung gehindert werden.

Heute ist die Pressefreiheit in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und auch im Grundgesetz als eine wesentliche Basis von Demokratien enthalten. Trotzdem ist die Pressefreiheit in vielen Ländern der Welt bis heute eingeschränkt.

Verfassung

Mit schriftlichen Verfassungen geben Menschen ihrem politischen und rechtlichen Zusammenleben verbindliche Regeln. Schon im Jahr 1215 sicherte die „Magna Charta“ dem englischen Adel politische Freiheiten gegenüber dem König zu. Volkssouveränität und Gewaltenteilung wurden 1755 erstmalig in einer Verfassung festgeschrieben: auf Korsika in italienischer Sprache. Ende des 18. Jahrhunderts wurden unveräußerliche Grundrechte zum ersten Mal in Verfassungen verankert: erst in den USA (1789), dann in Polen (1791) und danach in Frankreich (1791/ 1793) – immer bezogen auf Männer mit eigenem Vermögen. In Deutschland setzten Liberale im frühen 19. Jahrhundert in einigen Ländern ebenfalls Verfassungen zur Begrenzung der absoluten Herrschaft und Willkür der Fürsten durch.

Europaweiten Nachdruck verlieh dann die Revolution 1848/49 dem Wunsch nach einer Verfassung. Eine der ersten Erfolge der Verfassungsforderung konnte schon im April 1848 in Ungarn verzeichnet werden, wo eine Verfassung mit umfassenden Grund- und Bürgerrechten durchgesetzt werden konnte. Auch garantierte sie weitgehende Pressefreiheit und Autonomie Ungarns von der Habsburgermonarchie. Andererseits benachteiligte sie auch massiv die nicht-ungarische Bevölkerung des Königreiches gegenüber den ethnischen Ungar:innen (Magyar:innen), beispielsweise im Bereich des Wahlrechts. Der Widerstand gegen diese Verfassung und das Eingreifen der habsburgischen Truppe führte letztlich zur Aufhebung dieser Verfassung 1849.

Zeitgleich wurde auch in den deutschen Staaten eine Verfassung gefordert, welche politische Grundrechte und Gewaltenteilung für ganz Deutschland garantieren sollte. Die gewaltigen Umbrüche dieser Zeit führten aber nach heutigen Maßstäben noch nicht zu demokratischen Verhältnissen. So war die Beteiligung von Frauen, Armen und Minderheiten an der politischen Willensbildung nicht vorgesehen.

Das Paulskirchenparlament in Frankfurt am Main verabschiedete nach monatelanger Arbeit im Dezember 1848 einen umfassenden Grundrechtekatalog und im März 1849 die Frankfurter Reichsverfassung für das Staatsvolk eines Deutschen Reiches. Ein solches Staatsvolk existierte noch nicht und sollte aus dem Prozess des revolutionären Aufbegehrens hervorgehen. Die Durchsetzung der Verfassung scheiterte insbesondere an der militärischen Übermacht der reaktionären Kräfte. Vor allem die großen Länder im Deutschen Bund (Preußen, Österreich, Bayern, Sachsen und Hannover) erkannten sie nicht an.

Trotz Niederschlagung der Revolution von 1848/49 setzten sich Verfassungen in Europa im 19. Jahrhundert durch, allerdings ohne wesentliche demokratische Rechte. Erst im 20. Jahrhundert orientierten sich in Deutschland die Weimarer Verfassung (1919) und das Grundgesetz (1949) am Grundrechtekatalog des Paulskirchenparlamentes.

Über das Themenportal

Was haben Eichen in der schleswig-holsteinischen Provinz, eine Druckmaschine im Ungarischen Nationalmuseum in Budapest und ein kleiner Park in der Küstenstadt Saint Thomas auf den Jungferninseln mit der Revolution von 1848/49 zu tun?

Die Revolution von 1848/49 hat als Meilenstein der Demokratiegeschichte an vielen Orten der Welt Spuren hinterlassen. Das vom Paul Singer Verein – der Trägerverein des Ausstellungs- und Gedenkortes Friedhof der Märzgefallenen – initiierte Themenportal gibt Revolutionsinteressierten im World Wide Web einen Überblick über die europäische und auch weltweite Dimension der Revolution, über die Forderungen der Revolutionär:innen sowie über charakteristische Akteur:innen und zeigt, wie an Orten in ganz Europa an die Revolution erinnert wird.

Interaktives Portal

Ein Schnelldurchlauf durch die Revolutionsereignisse zeigt, wie die Revolution dominoartig zu einem gesamteuropäischen Ereignis mit globalen Auswirkungen wurde. In Kurzbiografien können spannende Akteur:innen entdeckt werden, die revolutionäre Aufstände prägten, an ihnen gewollt oder ungewollt beteiligt waren. Auffindbare Spuren der Revolution lassen sich auf einer Karte digital erkunden.

Die Revolution wurde von vielen Menschen getragen und fand an unterschiedlichsten Orten statt. Die Suche nach relevanten Personen und Orten kann mithilfe Ihrer Zusendungen noch ausgeweitet und ergänzt werden. Nutzen Sie dafür gern unser Kontaktformular. Wir freuen uns über Ihre Mitarbeit am Themenportal!

Projektverantwortliche

Johann Gerlieb, Projektleiter Jubiläumsnetzwerk 175 Jahre Revolution 1848/49, Friedhof der Märzgefallenen (seit Oktober 2022)
gerlieb @ paulsinger.de

Dr. Susanne Kitschun, Leiterin des Friedhofs der Märzgefallenen
kitschun @ paulsinger.de

Beratungsgremium

Dr. Andrej Bartuschka, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte

Dr. Peter Beule, Referent für die Geschichte der Sozialen Demokratie im Referat „Public History“ im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung

Prof. Dr. Rüdiger Hachtmann, Zentrum für zeithistorische Forschung Potsdam

Prof. Dr. Theo Jung, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Frederik Schetter, Bundeszentrale für politische Bildung

Dr. Jürgen Schmidt, Leiter des Karl-Marx-Hauses Trier

Dr. Elisabeth Thalhofer, Leiterin der Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte

Dr. Kerstin Wolff, Leiterin der Forschungsabteilung bei der Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung

Bedanken für die Mitarbeit und Unterstützung möchten wir uns bei

Britt Badekow, freie Historikerin

Antonia Beran, Leiterin des Kreismuseum Jerichower Land

Dr. Lars Bluma, Leiter des Zentrums für Stadtgeschichte und Industriekultur Wuppertal

Jürgen Dick, Historiker und Mitglied des Fördervereins Lernort Bergfried – Freiheit, Bürgerrechte und Demokratie

Manuela Dietz, Leiterin des Friedrich-Ludwig-Jahn Museum in Freyburg (Unstrut)

Matthias Hahn, Stiftung Stadtmuseum Berlin

Dr. Andreas Ludwig, Assoziierter Wissenschaftler am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

Angela Martin und Ursula Trüper, Berliner Geschichtswerkstatt e.V.

Dr. Marco Neumaier, Archivar der Stadt Sinsheim

Prof. Dr. Johannes Orphal, Bereichsleiter „Natürliche und gebaute Umwelt“ am KIT-Zentrum Klima und Umwelt des Karlsruher Institut für Technologie

Derya Özdemir, Universität Paderborn

Dr. Martin Rackwitz, Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte

Wie nach 175 Jahren an den Meilenstein der Demokratiegeschichte erinnern? Die Tagung 2021

Bei der Auftakttagung des Jubiläumsnetzwerks in Rastatt diskutierten mehr als 70 Teilnehmer:innen angeregt von Impulsvorträgen in Arbeitsgruppen neue Forschungsperspektiven, kuratorische Herausforderungen Revolution zu erzählen, biografische Zugänge und vieles mehr.

Eine Auswahl der Beiträge sowie aus der Tagung entstandene Artikel wurden in einer Tagungsbroschüre veröffentlicht, die zum Download zur Verfügung steht:

Auf H-Soz-Kult, der Informations- und Kommunikationsplattform für Historiker:innen im Netz, ist ein Tagungsbericht erschienen.

Einzelne Beiträge konnten dank der Förderung durch die Beauftragte des Bundes für Kultur und Medien filmisch dokumentiert werden. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim anschauen.

Das Jubiläumsnetzwerk

Auf Initiative der Gedenkstätte Friedhof der Märzgefallenen ist seit 2021 ein wachsendes Jubiläumsnetzwerk für 175 Jahre Revolution 1848/49 aktiv. Im Vorfeld des Jubliläumsjahres 2023 fließen im Netzwerk die vielfältigen regionalen, nationalen und europäischen Formen der Erforschung, Bewahrung und Vermittlung der Revolution zusammen.

Mit über 170 Partner:innen aus Bereichen der Wissenschaften, der Bildungs- und Kultureinrichtungen sowie des lokalen Bürgerengagements gelingt ein vielfältiger Wissens- und Ideenaustausch. Höhepunkte der Arbeit des Jubiläumsnetzwerkes sind die Jahrestagungen, die hier im Themenportal jederzeit nachzuschauen sind.

Über zahlreiche und regionale Veranstaltungen zum Thema der Revolution 1848/49 hinaus, organisiert das Jubiläumsnetzwerk am 16./17. März 2023 eine europäische Tagung im Berliner Humboldt Forum. Die Anmeldung hierzu steht allen offen und wird zeitnah freiggeschaltet.

Das Jubiläumsnetzwerk und das Online-Themenportal wird von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert.

Ansprechpartner

Friedhof der Märzgefallenen

Dr. Susanne Kitschun, Leiterin

kitschun@paulsinger.de

Johann Gerlieb, Projektleiter

gerlieb@paulsinger.de

>