Revolution im Schnelldurchlauf

Der folgende Abriss revolutionärer Erhebungen in Europa 1848/49 zeigt, wie sich der Kampf um Demokratie zu einem Flächenbrand entwickelt hat und wie einzelne Aufstände aufeinander Bezug nahmen. Erste Anzeichen für eine revolutionäre Stimmung in Europa waren schon zu Jahresbeginn 1848 in Palermo auf Sizilien zu vernehmen. Nach dem Sturz des französischen Königs gingen dann die Funken der Revolution rasant auf die europäischen Metropolen über. Erst ein Jahr später endete das Revolutionsereignis mit der Niederschlagung in Ungarn und der Auflösung der gesamtdeutschen Nationalversammlung im Juni 1849.

Die erste Phase (März 1848) der Revolutionsjahre erfasste die Machtzentren der europäischen Staaten. Der Aufstand in Paris befeuerte Proteste in München, Wien, Berlin und darüber hinaus. Unterstützt von einer wachsenden Presselandschaft verbreitete sich die Kunde von jedem neuen Brandherd der Revolution. Sie wird zu einem europaweit erlebbaren Ereignis.

In der zweiten Phase (Mitte bis Ende 1848) griff die Revolution in die Breite und erfasste auch weitere Städte sowie den ländlichen Raum. Die Regierungen der europäischen Großmächte reagierten panisch auf die plötzliche Dimension der Revolution und begannen militärisch dagegen vorzugehen. An vielen Orten stellten sich engagierte Bürger:innen den Mobilisierungsversuchen entgegen und formulierten selbstbewusst ihre politischen Forderungen. Unter dem steigenden Druck der öffentlichen Meinung gingen viele Regierungen zunächst auf diese ein. Monarchen erließen Verfassungen und ermöglichten die Wahl von Parlamenten. In den Ländern des Deutschen Bundes trat so im Mai 1848 ein erstes gesamtdeutsches Parlament in der Frankfurter Paulskirche zusammen. Es sollte eine Verfassung für einen zukünftigen deutschen Nationalstaat erarbeiten. Die Ziele der Revolution schienen nun überall in greifbarer Nähe.

Im Verlauf der dritten Phase (Mai bis August 1849) zeichneten sich aber auch erste Brüche innerhalb der Revolutionsbewegungen ab. Zielvorstellungen veränderten sich, ungleiche Lebensverhältnisse konnten nicht ad hoc angeglichen werden, auch die Radikalität einiger Forderungen schreckte zunehmend ab. So fand sich im Deutschen Bund schnell eine Mehrheit, die sich für die Idee eines deutschen Nationalstaates begeistern konnte. Wer aber dazu gehören sollte und wer nicht, wie dieses Deutschland regiert werden könnte und wer daran mitbestimmen dürfte, wurde heftig diskutiert. Erst 1849 konnte sich die Nationalversammlung auf einen Verfassungsentwurf einigen. Die deutschen Fürsten schienen anfänglich nicht ablehnend, so skizzierte der Entwurf Deutschland schließlich als Monarchie. Die Umsetzung der Verfassung zögerten die Fürsten aber dennoch hinaus, fürchteten sie letztlich die Begrenzung ihrer Macht durch ein deutsches Parlament. Das Ende der Verfassungsdebatte beschied dann der preußische König mit der Ablehnung der deutschen Kaiserkrone. Der Nationalstaat – eine zentrale Forderung der deutschen Revolutionsbewegungen – war damit gescheitert. Die Revolution ergriff erneut die Straßen.

Die letzte Phase der Revolution begann mit dem erneuten Aufbegehren der Menschen in vielen Staaten Europas. Der Traum von Demokratie war an kaum einem Ort zur Realität geworden. Im Deutschen Bund unterdrückten die Fürsten sehr bald die demokratischen Bewegungen mit Hilfe ihres Militärs und lösten im Spätsommer sogar die Nationalversammlung auf. Doch konnten auch die Fürsten die Zeit nicht zurückdrehen. Die Revolution 1848/49 wirkte in ihren Staaten nach. So wurden fast alle Staaten des Deutschen Bundes nach der Revolution konstitutionell regiert, also auf Grundlage einer Verfassung. Politische Macht allein als königliches Privileg zu begreifen war nicht länger möglich. Auch die Fürsten mussten das einsehen und erließen für ihre Länder Verfassungen.

Verwehrt blieb dieser Teilerfolg vor allem den Nationalitäten der Habsburgermonarchie. Hier wurden im Laufe des Jahres 1849 die ungarischen, tschechischen, polnischen, ruthenischen (ukrainischen) und italienischen Unabhängigkeitsbestrebungen gewaltsam erstickt. Auch der Wunsch nach einer verfassungsmäßigen Regierung blieb hier noch jahrzehntelang unerfüllt.

Auf den ersten Blick scheint die Revolution gescheitert. Schaut man aber genau hin, stellt die Revolution von 1848/49 einen Meilenstein in der Geschichte unseres Kontinents und seiner Demokratie dar. Zum ersten Mal formulierten Menschen europaweit ähnliche Forderungen nach Demokratie, sozialer Gerechtigkeit und Freiheitsrechten. Sie bezogen sich auf- und solidarisierten sich miteinander. Zwar gelang es der alten Ordnung der Monarch:innen 1849 noch einmal diese Bestrebungen zu unterdrücken, auf lange Sicht mussten sie aber den Forderungen nach Demokratisierung und soziale Reformen nachgeben. Die Revolution von 1848/49 ist somit ein gesamteuropäisches Kapitel der Demokratiegeschichte, welches noch lange nachwirkte und uns heute umso stärker zeigt, dass sich der Einsatz für Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheitsrechte lohnt, aber auch immer wieder aufs Neue geführt werden muss.


Die Via Macqueda in Palermo am 12. Januar 1848. Erste Zusammenstöße zwischen Revolutionär:innen und Burbonischen Truppen. Bildrechte: AGK-Images.

Der sizilianische Unabhängigkeitskampf

12. Januar 1848 – 15. Mai 1849

Der 12. Januar 1848 markiert die Vorwehen der europäischen Revolution von 1848/49. Auf den Straßen Palermos kämpften Revolutionär:innen für die Unabhängigkeit der Insel Sizilien und vom aristokratischen Großgrundbesitz und der Regierung im fernen Neapel. Die Mittelmeerinsel gehörte zum damaligen Königreich beider Sizilien. Dieses bestand aus der Insel Sizilien und dem südlichen Teil Italiens. Hauptstadt und königliche Residenz war die Stadt Neapel. Bereits nach zwei Wochen brachten die Aufständischen Sizilien unter ihre Kontrolle. Die einstigen Herrscher konnten lediglich die Festung Messina halten.

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